Redebeitrag zum IDAHOBIT 2022 – „Selbstbestimmung! Jetzt!“

Die lieben und tollen Menschen vom Gerede e.V. haben uns eingeladen, bei der Demo am 17. Mai eine Rede zu halten. Diese Gelegenheit haben wir gerne genutzt. Übrigens: die Aktionswoche rund um den IDAHOBIT geht noch bis zum 20.05. – hier ist das Programmheft mit allen Veranstaltungen. Aber hier erstmal unser Beitrag zum Nachlesen:

Hallo und schön, dass ihr alle da seid.
Als queere Person passiert es all zu oft, das man mit übergriffigen Fragen und Aussagen konfrontiert wird. Dass die eigene Identität hinterfragt und angezweifelt wird. Oft von fremden Menschen, mit denen man gar nichts zu tun hat, oft von unaufgeklärten Personen aus dem engeren Umfeld. Beides kann unangenehm und verletzend sein. „Das ist doch nicht normal!“ – ist eine häufige und noch vergleichbar harmlos ausgedruckte Aussage. Sie begegnet uns queeren Menschen oft, in Bezug auf Sexualität oder geschlechtliche Identität. Dabei ist der übrigen, nicht queeren Gesellschaft selten bewusst, dass die viel besprochene „Normalität“ ein gesellschaftliches Konstrukt ist. Und die Gesellschaft verändert sich. Kultur verändert sich. Konstrukte können durchbrochen und Vorurteile abgebaut werden. Deshalb ist Sichtbarkeit so wichtig; Aufklärung und ein offener fairer Umgang miteinander. Dafür gehen wir an Tagen wie heute auf die Straße, deshalb braucht es eine Pride und queere Repräsentation in der Gesellschaft.

Die lang versprochene Abschaffung des diskriminierenden und verfassungswidrigen TSG wäre ein wichtiger politischer Schritt in Richtung der freien Selbstbestimmung für binäre und nicht-binäre trans Menschen. Doch der Weg geht noch viel weiter: wir fordern eine Entschuldigung und Entschädigungen für Menschenrechtsverletzungen wie Zwangssterilisierungen. Wir fordern die Aufnahme von Transitionstherapien in die gesetzliche Krankenkasse – ohne jedes Gatekeeping. Wir fordern eine Anpassung des Personenstandsgesetzes!
Denn wir wollen uns vor niemandem dafür rechtfertigen müssen, wer wir sind oder wen wir lieben! Genauso wollen wir selbst darüber entscheiden dürfen, welcher Name in unserem Personalausweis steht. Und wieso sollte es als trans Person zwei teure Gutachten brauchen um sich die Brust entfernen zu lassen? Jeder cis Mensch kann theoretisch eine Brustvergrößerung bei Schönheits-Chirurg*innen machen lassen, ganz ohne langwierige Psychotherapie.

Queere Menschen existieren überall und haben genauso Wünsche und Bedürfnisse nach Akzeptanz wie Menschen die cis-hetero sind. Und wir haben Hoffnung. Hoffnung dass ein Outing irgendwann nicht mehr nötig ist. Das wir alle als die Menschen leben und lieben können, wie wir es möchten. Wir wollen Vorurteile abbauen, durch aufgeschlossene Gespräche und unvoreingenommene Begegnungen. Wir wollen sensibilisieren für Themen wie gendergerechte und inklusive Sprache. Wir wollen uns vor Augen halten, wer welche Rechte hat, und wer davon ausgeschlossen wird. Verschiedene Lebensrealitäten können und müssen nicht nur nebeneinander, sondern miteinander existieren.Wenn alle sich von internalisierten Vorurteilen befreien würden – und ja, das betrifft auch uns queers! – dann wäre unsere Gesellschaft um einiges bunter und lebenswerter.

Wir setzen uns heute ein für eine freiere Welt. Eine Welt, in der man Selbst zu sein keine Provokation mehr ist. Eine Welt, in der Liebe nicht mit Hass begegnet wird und „Normalität“ kein Bewertungskriterium mehr darstellt.

Vielen Dank, dass ihr mit uns für eine solche Welt einsteht! 🙂