Rede am 30.04. auf der Take Back The Night Demo Dresden

Hallo und schön, dass ihr alle heute da seid!

Vorab eine Trigger Warnung, in diesem Text geht es unter anderem um Gewalt und Angriffe auf trans Personen und um generelle Transfeindlichkeit.

In der letzten Zeit gab es einige Meldungen und Schlagzeilen, die vermutlich vor allem queere trans Personen ziemlich mitgenommen haben. Für die, die davon vielleicht wenig oder nichts mitbekommen haben und für die, die das Privileg haben, sich nicht täglich mit dieser Art von Nachrichten befassen zu müssen, ist hier einiges von dem geschehenem zusammengesammelt:
Manchmal fühlt es sich an, als ob die ganze Welt uns hasst. Einfach nur weil wir trans sind, anders sind. Weil wir die Vorstellung der Welt in zwei von Geburt an festgelegten Geschlechtern aufbrechen und uns von den stereotypischen Rollen-Klischees befreien, werden wir zur Bedrohung.

Während in den USA allein seit beginn des Jahres rund 240 Anti-LGBT* Gesetzesvorschläge gemacht wurden, von denen sich die meisten explizit gegen trans Jugendliche richten, hat Russland am 21. April die Sphere Fondation aufgelöst.
Die Haltung des Kremls im Bezug auf queere Menschen und die Trans-Community ist kein Geheimnis. Dennoch war die Meldung letzte Woche Donnerstag wie eine eiskalte Dusche: Die Sphere Fondation, die letzte große Organisation zur Unterstützung von LGBTQIA* – Personen in Russland wurde vom Gerichtshof liquidiert. Teil der Urteilsbegründung sei der Verstoß der Organisation gegen die „traditionellen Familienwerte“.
Während Russland, also ein weiterer Schlag gegen die letzten noch bestehenden queeren Netzwerkstrukturen gelingt, wird außerdem noch immer der Angriffskrieg auf die Ukraine fortgesetzt.
Und auch dort spitzt sich die Lage für trans Menschen immer weiter zu, denn noch immer dürfen Männer zwischen 18 und 60 das Land nicht verlassen. Noch immer haben trans Frauen keine legale Möglichkeit, dass Land zu verlassen, wenn sie noch alte Geschlechtseinträge oder nicht zur Identität passende Dokumente haben. Diesen Frauen, wird auf staatlicher Ebene ihr Geschlecht und ihre Identität abgesprochen und dass, obwohl sie, gerade durch die andauernde russische Bedrohung, eigentlich unter besonderem Schutz stehen müssten.
Mittlerweile sind wohl einige selbstorganisierte Schutzräume für trans Personen eingerichtet wurden, deren Standorte aus Sicherheitsgründen geheim bleiben. Leider mangelt es dort an fast allem, was nicht zu Letzt auch an der schlechter werdenden medizinischen Versorgung im Land liegt. Dies hat zur Folge, dass auch die für trans Menschen dringend benötigten Hormone knapp werden.
Was dennoch bleibt ist die Angst gefunden zu werden, sowohl von der ukrainischen, als auch der russischen Armee. Deshalb bleibt für die meisten nur eine erkennbare Möglichkeit: Eine illegale Überquerung der Grenze.

In Deutschland wiederum hört man gerade an vielen Ecken die Terf’S lauter werden, diese trans excluding radical feminists, zu denen übrigens auch eine gewisse A. Schwarzer gehört, glauben trans Personen weder akzeptieren zu müssen, noch sie als Teil ihres feministischen Kampfes zu sehen. Trans wird von ihnen zu einem Feindbild umgearbeitet, gegen welches sich „echter Feminismus“ stellen muss. Dabei sind die Argumente ungefähr genauso veraltet und ignorant sind wie die letzten Jahrzehnte von Schwarzers „feministischem Wirken“.
Feminismus ohne trans Menschen ist kein Feminismus!

Doch leider bleibt es nicht nur bei dieser verbalen Form des Hasses. Ende März kam es in NRW in der Stadt Herne zu einer Tat, die so grausam ist, dass es einem den Atem nimmt: Drei 13-jährige Jungen prügeln so lange und so brutal auf ein 15-jähriges Mädchen ein, dass diese in ein Koma verfällt und das ganze nur knapp überlebt. Und das, einfach nur weil sie trans ist.
Diese Meldung macht fassungslos, lässt einen mit dem Kopf schütteln, bringt einen vielleicht sogar zum Weinen. Wenn Kinder, die nicht mal strafmündig sind, eine Tat begehen, die von einem solchen Hass auf trans Menschen getrieben ist, dann muss dieser Hass irgendwo herkommen.
Eine solche Meldung durchbricht die kleine bunte Bubble die man sich aufgebaut hat und in der man sich tagtäglich bewegt. Einem wird bewusst, dass man vielleicht nicht so sicher ist, wie man sich fühlt. Nur weil einem die Menschen im eigenen Umfeld lieben und akzeptieren, heißt das nicht, dass andere es auch tun. Diese Erkenntnis tut weh und sie macht Angst. Seit der Geschichte aus Herne, habe ich wieder Angst davor, nachts alleine nach Hause zu gehen. Das ist ein Gefühl, dass ich sehr lange nicht mehr hatte. Und ich denke viel öfter an all die ermordeten trans Menschen, vor allem trans Woman of Colour. In den letzten 14 Jahren wurden weltweit über 4050 trans Personen ermordet.Ich wusste das und ich habe jedes Mal getrauert, wenn ich von einem dieser Morde erfahren habe, und trotzdem war es irgendwie weiter weg. Aber seit der Geschichte aus Herne kann ich nicht aufhören daran zu denken. Vielleicht weil es diesmal um ein Kind geht, oder weil es direkt in Deutschland war, ich weiß es nicht, aber, ich denke daran und bin unfassbar dankbar dafür, dass dieses arme Kind nicht das gleiche Schicksal teilt wie so viele unserer Brüder und Schwestern. Ich bin dankbar dafür, das sie noch am Leben ist und ich bin so unfassbar wütend auf diese Welt.
Ich hoffe, dass sich so etwas nie wieder wiederholen muss und ich glaube fest daran, dass Aufklärung und offene Gespräche, ob mit Kindern oder Erwachsenen etwas ändern können. Ich hoffe, dass wir mit dem Ersetzen des diskriminierenden TSG durch ein Selbstbestimmungsgesetz endlich weniger Hürden haben werden um so Leben zu können wie wir sind.
Aber ich will auch realistisch sein und ich weiß, dass diese Welt kein fairer Ort ist und ich weiß, dass ich noch einige Zeit Angst haben werde, wenn ich nachts nach Hause laufe.
Dennoch: Wir sind hier, wir sind trans und egal was auch passiert, wir werden bleiben, auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als ob die ganze Welt uns hasst.

In Solidarität mit allen Queers in Russland und allen trans Menschen überall dort wo sie und ihre Rechte eingeschränkt werden, in Liebe mit jenen die Gewalt erfahren, in Stärke mit allen, die  sich für uns einsetzt.

Zu guter Letzt noch etwas weniger Deprimierendes: Wie ihr ja sicher wisst ist vom 25. April bis 01.Mai die Woche der Lesbischen Sichtbarkeit. In diesem Sinne geht ganz viel Liebe an alle lesbischen Menschen die das hier hören! Fühlt euch gedrückt, wenn ihr möchtet!

Danke, fürs zuhören!