Queerpolitische Stellungnahme zum Versammlungsrecht in Sachsen

Gegen Ende der Legislatur will die Kenia-Koalition in Sachsen noch ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und das Versammlungsgesetz novellieren. Zurzeit läuft dazu ein Beteiligungsverfahren des Innenministeriums.

Als Organisation der politischen Selbstvertretung queerer Menschen in Dresden haben wir ebenfalls eine Stellungnahme eingereicht. Denn wir sind regelmäßig mit Versammlungen befasst. Zum einen organisieren wir selbst Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen. Zum anderen unterstützen wir die inzwischen erfreulich vielen CSD-Demonstrationen und Prides in anderen sächsischen Städten.

Sowohl aus organisatorischer Perspektive als auch im Interesse der Teilnehmer*innen dieser vielfältigen öffentlichen Versammlungen haben wir einiges zu dem aktuellen Entwurf der Neufassung des Versammlungsgesetzes zu sagen. Die wichtigsten Punkte haben wir hier zusammengefasst, es gibt aber auch die komplette Stellungnahme als PDF zum Herunterladen.

  • Der Entwurf erscheint sowohl für Veranstaltende als auch zuständige Behörden besser anwendbar als das unübersichtliche und in vielen Punkten durch die Rechtsprechung überholte Sächsische Versammlungsgesetz von 2012. In vielen Abschnitten schlagen sich die Bemühungen um bessere Verständlichkeit und damit mehr Rechtsverständnis gerade für Laien positiv nieder.
  • Die neu geplanten, weit gehenden Kontroll- und Ausschlusskriterien für den Einsatz von Ordnungskräften lehnen wir ab. Diese können schnell zu erheblichen praktischen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit führen, hier muss die Novelle entsprechend überarbeitet werden.
  • Das hohe demokratische Gut der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Selbstbestimmung über die Ausgestaltung der Versammlung. Das in dem Entwurf zumindest sprachlich erneut ausgedehnte Schutzausrüstungsverbot sehen wir kritisch. Es darf nicht dazu in Anschlag gebracht werden, Ausdrücke von sexueller und geschlechtlicher Freiheit und Vielfalt in der Öffentlichkeit und im politischen Meinungsaustausch zu unterdrücken. Weil zudem die beschworene befriedende Wirkung nicht ausreichend belegt ist, empfehlen wir die Abkehr von dem 1985 in das Versammlungsrecht eingeführten Verbot von Schutzausrüstung.
  • Der Entwurf vollzieht die Rechtsprechung zum Schutz der Versammlungsfreiheit in einigen wichtigen Punkten nach. Allerdings wurde unserer Ansicht nach die Chance verpasst, diese konsequent und zukunftssicher weiter zu denken.
  • Wir erwarten von der Novellierung einen wirksamen rechtlichen und tatsächlichen Schutz marginalisierter Gruppen im Bereich des politischen Meinungsaustausches und der demokratischen Willensbildung. Dieser muss für zukünftige Entwicklungen und auch gegen staatliche Kontroll- und Überwachungsversuche abgesichert sein. Erst dann wäre das im Namen „Gesetz über den Schutz der Versammlungsfreiheit“ postulierte Versprechen wirklich für alle eingelöst.