Queerfeindlichkeit und Patriarchat – unser Redebeitrag zum 8. März

Hallo zusammen! Wir von der Queer Pride Dresden begrüßen euch hier am König*innenufer und freuen uns auf eine kämpferische Demo. Wir möchten unseren Redebeitrag über Queerfeindlichkeit und Patriarchat mit einem Zitat von Simone de Beauvoir einleiten: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird zu ihr gemacht.“

Warum dieses Zitat? Es fasst ein fundamentales Problem zusammen, das wir mit dem Patriarchat haben. Denn das kapitalistische Patriarchat sortiert uns in zwei Geschlechter ein. Aus dieser Trennung erwachsen zugleich Zuschreibungen, Zwänge und Unterdrückung. So wird Frauen die Verantwortung für alle Reproduktionsarbeit aufgehalst, also sowas wie Essen kochen, sich um saubere Wäsche kümmern oder Pflege von Angehörigen. Also alles, was neben der Produktionsarbeit noch gebraucht wird, um die kapitalistische Verwertungsmaschinerie am Laufen zu halten. Das Praktische dabei ist, dass diese ganze Haus- und Care-Arbeit dabei gleichzeitig zur individuellen Privatangelegenheit erklärt wird. Praktischerweise – also zumindest für das Kapital – spart man sich damit auch die Entlohnung für den ganzen Spaß.

Diese zugewiesenen Geschlechterrollen entwickeln ein interessantes Eigenleben. Sie wandeln sich zusammen mit der Entwicklung des Kapitalismus. So streifen sie hin und wieder veraltete Zuschreibungen oder ideologische Begründungen für ihre Existenz ab, und gewinnen im Gegenzug neue dazu. Aber noch bei jeder Häutung haben sie es geschafft, sich als die vermeintlich natürlichste Unterteilung der Menschen zu bewahren. So erhalten sich die Geschlechterhierarchie und die auf ihr basierende kapitalistische Ausbeutung gegenseitig.

Aber was hat das jetzt mit uns queeren Menschen zu tun?

Mit dem binären Geschlechtssystem eng verbunden ist die heterosexuelle Beziehung als Normzustand, denn hier funktioniert die Auftrennung in bezahlte Lohnarbeit und unbezahlte Reproduktionsarbeit am besten. Je nach Argumentation wird das dann als Gott- bzw. naturgegegeben rechtfertigt und gleichzeitig Homofeindlichkeit bestärkt.

Ich stelle das jetzt alles etwas allgemein dar, auch in dem Wissen, dass natürlich nicht nur cis Männer schwul und nicht nur cis Frauen lesbisch sind.  Aber wenn ich auf alle Feinheiten eingehe dann dauert das den ganzen Tag, und es gibt noch so viele andere tolle Redebeiträge heute.

Schwulenfeindlichkeit im Besonderen stellt homosexuelle Männer als weniger männlich dar. Sie soll Männer dazu zu bringen, sich in Abgrenzung zu Weiblichkeit zu definieren und Weiblichkeit gleichzeitig abzuwerten.

Lesbenfeindlichkeit hingegen hat die Besonderheit, dass sie sich gegen Frauen richtet, die sich der heteronormativen Reproduktionslogik entziehen. Außerdem scheint es ein persönlicher Affront gegen einige unsichere Männern zu sein, dass Frauen es auch nur wagen könnten, sie nicht attraktiv zu finden. (Arme fragile Menners).

Und nun zum neuen heißen Thema von Konservativen und Reaktionären: trans Menschen

Ich werde dazu erst ein bisschen auf die unterschiedlichen Erfahrungen von trans Frauen, trans Männern und nichtbinären Menschen eingehen. Am Ende geht es dann um den aktuellen transfeindlichen Backlash.

Allein durch unsere pure Existenz droht die Willkür bei der patriarchalen Geschlechtertrennung aufzufliegen. Das wäre ein katastrophaler Rückschlag für den symbiotischen Pakt zwischen Kapitalismus und männlichem Chauvinismus und muss also verhindert werden.

Ähnlich wie homosexuelle Menschen werden transmaskuline Personen häufig als Gefahr für das Aussterben der Menscheit dargestellt. Bei ihnen wird dann von in Anführungenzeichen „irreparablen Schäden“ für ihre Fähigkeit, schwanger zu werden, geredet. Wir sagen klar: selbst wenn man durch eine Transition unfruchtbar wird, geht das den Papst oder den Staat einen Scheißdreck an. Genau wie bei Abtreibungen geht es hier geht es um körperliche Selbstbestimmung!
Aus vorgeblich feministischen Kreisen wird trans Männern manchmal der absurde Vorwurf gemacht, sie wollten sich durch die Transition „unverdiente Privilegien“ aneignen. Mal abgesehen von der leidvollen Erfahrung, dass das in der Realität nicht funktioniert: Wir halten es auch für ein paradoxe Vorstellung, man könne im fremdbestimmten Geschlecht besser gegen Unterdrückung kämpfen. Noch dazu blendet dieser Vorwurf aus, was alles an feministischer Arbeit durch trans-maskuline Menschen passiert.

Bei der Unterdrückung von trans femininen Menschen werden oft essentialistische Stereotypen in Stellung gebracht. Es wird zunächst behauptet, Männer seien inhärent gefährlich und gewalttätig, als nächstes trans feminine Menschen mit ihnen gleichgesetzt. Sie gelten dann ebenfalls als inhärente Gefahr für cis Frauen, was sich prima zur Panikmache über trans Frauen in Frauen-exklusiven Räumen eignet. In Wirklichkeit zeigen die dazu durchgeführten Studien konstant, dass trans Frauen keine Bedrohung für cis Frauen darstellen, jedoch trans Frauen in Räumen für Männer (Männerklos, Umkleiden, Gefängnisse, etc.) einem gigantisch erhöhten Risiko für sexualisierte Gewalt ausgesetzt sind. Eine Forderung nach unserem Ausschluss aus Frauenräumen ist also eine indirekte Forderung nach Gewalt gegen uns. 
Und auch gegen trans feminine Menschen spielt wieder Homofeindlichkeit und die enorme Unsicherheit von hetero cis Männern mit rein. Sie haben anscheinend panische Angst davor, eine trans Frau attraktiv finden zu können und damit ihre Männlichkeit und ihre Position in der Geschlechterhierarchie zu gefährden. Trans feminine Menschen bekommen dies alltäglich als Beleidigungen und Gewalt zu spüren.

Last but not least sind auch nichtbinäre Menschen mit dem Zwang zum eindeutigen Geschlecht konfrontiert.

Ihnen wird mit Unverständnis begegnet und sie werden in binäre Kategorien gesteckt, um die willkürliche Geschlechtertrennung aufrecht zu erhalten. Sowohl in den Köpfen der Menschen, als auch auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene. So wird nichtbinären Menschen oft transitionsbezogene Medizin verweigert, weil sie ja keinen in Anführungszeichen „richtigen“ Wechsel zu Mann oder Frau wollen. Abstruserweise bekommen im Gegenzug nichtbinäre Menschen, die keine medizinische Transition wollen, oft genug zu hören, dass sie bloß oberflächlich auf einen Trend aufspringen würden.

Das ist schon ein geiler Trend: wer will denn nicht überall über Genitalien ausgefragt werden? Voll hip, sich erstmal selbst Expertise zu hormonbezogenen Körperveränderungen anzulesen, damit beim nächsten Besuch in der Praxis nicht wieder eine falsche Behandlung vorgeschlagen wird. Und von den ganzen fancy Diskriminierungen bei Behörden können altmodische Menschen ja nur träumen, oder?!

Nochmal zusammengefasst: Das Ziel von Transfeindlichkeit ist es, den selbstbestimmten Zugang zu Geschlechtern zu verbieten, um die patriarchale soziale Ordnung aufrecht zu erhalten. Das Herumprobieren, Spielen und Brechen mit Geschlechternormen und Geschlechtsdarstellung soll unterbunden werden. Damit niemand die zugeschriebenen Rollen hinterfragt und diese Säule von Unfreiheit und Unterdrückung endlich umstürzt.

Transfeindlichkeit ist patriarchale Gewalt und sie führt regelmäßig zu körperlicher Gewalt. Erst kürzlich gipfelte sie in Großbrittannien wieder in einem Mord. Das 16 jährige trans Mädchen Brianna Ghey wurde am 11. Februar von zwei 15-jährigen Mitschüler*innen in einem Park erstochen. 

Wir müssen feststellen: Die organisierte Transfeindlichkeit ist längst bei uns angekommen. Alice Schwarzer und J.K. Rowling dürfen in jeder zweiten Talkshow ihre transfeindliche Meinung verbreiten. Das Ziel dieses transfeindlichen Backlashs ist es, uns trans Menschen auf allen Ebenen aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Der Zugang zu öffentlichen Räumen soll uns verwehrt werden. Die transitionsbezogene Medizin soll extrem restriktiv ausgegeben oder sogar verboten werden. Das allgemeine Klima in der Öffentlichkeit soll so harsch uns gegenüber werden, dass wir nicht mehr unser authentisches Leben leben können. Wenn transfeindliche Leute behaupten, dass sie uns sowieso immer erkenen, dann ist das keine faktische Aussage. Es ist eine Aussage ihrer Intention. Unser Leben soll solange erschwert werden, bis wir nicht mehr offen trans sein können!

Und auch hier vor Ort tritt Transfeindlichkeit offen zu Tage. Der Leiter der Jugendpsychiatrischen Klinik hier in der Uniklinik Dresden wurde in einem transfeindlichen Artikel in der SZ interviewt, zu dem wir als Queer Pride einen offen Brief geschrieben haben. Die NPD gibt in Döbeln den Einpeitscher auf der Straße, während ihre Kameraden von der AfD im Landtag nach der Anzahl der trans Menschen in Sachsen fragen. Nur wenn man wieder Listen führen kann, scheint der verderbte und vertranste Volkskörper noch zu retten.

Aber ich stehe hier als die Frau die ich bin. Ich zeige mich. Ich werde mich nicht verstecken und ich werde nicht verstummen. Das kann ich, weil nicht alle in dieser Gesellschaft transfeindlich sind. Es sind wenige, die hassen. Leider sind es oft die Lautesten. Deshalb danke ich euch, danke ich allen, die sich gegen den Hass stellen. Hört nicht auf, uns zu sehen, solidarisch mit uns zu sein und euch mit uns der Ungerechtigkeit entgegenzustellen!

Überall auf der Welt will das kapitalistische Patriarchat seine Macht erhalten – doch überall auf der Welt wehen ihm die bunten Farben des feministischen Widerstands entgegen. Egal ob trans, bi, lesbisch, schwul, nonbinary, agender, intersexuell oder hetero oder cis – niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind. Wir alle möchten würdevoll in einer gerechten und friedlichen Welt leben. Deswegen: lasst uns füreinander einstehen und unsere Kämpfe verbinden. 

Der 8. März und diese Kundgebung sind ein wunderbarer Ausdruck dieser Verbindung. Wir stehen zusammen mit euch im Kampf um Gleichberechtigung und ein Ende von Diskriminierung, Ausbeutung und Krieg!

Wir wollen nicht nur reagieren und Schlimmeres abwendenden, sondern für das bessere Leben für alle eintreten. Nicht nur in Dresden, nicht bloß in Deutschland, nicht allein in Europa, sondern auf der ganzen Welt.

Für Freiheit, Selbstbestimmung und internationale Solidarität!