Proud, pervers und provokativ – unser Beitrag zum Safe Abortion Day

Pro Choice Dresden lädt zum Safe Abortion Day am 28.09. wieder zu einer Demonstration für reproduktive Gerechtigkeit und körperliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung ein.

Wir unterstützen den Aufruf dazu und freuen uns, dass wir auch inhaltlich dazu beitragen können.
Hier unser Redebeitrag zum Nachlesen:

Proud, pervers und provokativ – ein Redebeitrag über widerständige Queerness, Reproduktive Rechte und Biopolitik

Hallo zusammen! Wir von der Queer Pride Dresden begrüßen euch auf dieser wichtigen Demo heute. Wir möchten sie gerne mit unseren – queeren und wütenden – Perspektiven ergänzen.

Denn wenn wir über reproduktive Rechte sprechen, also z.B. Abtreibungen als prominentestes Beispiel, dann denken wir meist an Kämpfe cis-geschlechtlicher Frauen. Doch das kapitalistische Patriarchat orientiert sich nicht an so etwas wie Selbstidentifikation. 

Nein, das kapitalistische Patriarchat orientiert sich daran, Menschengruppen nach ihren Fähigkeiten oder Nicht-Fähigkeiten zu knechten. Es betreibt dafür Bio-Politik. Das heißt, es will unsere Leben regulieren, auf unsere Körper zugreifen, unsere Entscheidungen kontrollieren. Als ideologische Grundlage werden dafür unter anderem biologistische Vorurteile in Stellung gebracht. Zusätzlich hat es sich einen Scheiß wie die binäre Geschlechterordnung ausgedacht. In deren hierarchischen System werden alle in zwei Klassen eingeordnet: Mann und Frau. Es gibt dem Mann Herrschaft, stellt die Frau schlechter, und legitimiert dadurch die Unterdrückung von allem, was als nicht-männlich gilt.

Widerständig queer zu sein bedeutet, mit dieser Geschlechtsordnung zu brechen!

Wir sind Tunten, Queens, Kings und Quings in Strapsen und Binder. Wir transitionieren, wir re-transitionieren wie wir Bock haben. Wir suchen uns unser Geschlecht genausowenig aus wie cis Menschen, oder eben doch. Dann sind wir noch so frech und haben Spaß an Brüchen. Wir entschuldigen uns nicht mehr für unsere lesbischen Zweihandäxte und Highheels, für unsere lila Gummischwänze, unsere nicen Frisuren und abgefahrene Neopronomen. Wir wollen uns nicht verstecken, und wir wollen auch nicht als normal anerkannt und in dieses System eingegliedert werden. Ganz im Gegenteil: wir wollen proud, pervers und provokativ die Normalität der einhegenden und gleichzeitig ausgrenzenden Biopolitik untergraben!

Dafür gibt es den schönen Demoslogan „Ehe, Küche, Vaterland – unsere Antwort: Widerstand!“ Der reimt sich nicht nur, sondern bringt auch unsere Kritik auf den Punkt. Denn Ehe und bürgerliche Kleinfamilie als „Das Normale“ zu propagieren ist ein altbewährtes biopolitisches Herrschaftsinstrument. Die zwei durch Geschlechtszuweisung gebildeten Gruppen sollen sich romantisch aufeinander beziehen. Wir sollen Babys kriegen. Die Kinderzahl pro Frau dient noch immer als Parameter im chauvinistischen Wettstreit der Nationalstaaten. An dieser Kinderzahl werden dann politische Strategien ausgerichtet, wie z.B. Förderungen heterosexueller Kleinfamilien. So wird die patriarchale Ordnung fleißig reproduziert.

Queers hingegen beziehen sich in allen möglichen Kombinationen romantisch und aromantisch aufeinander, vögeln wild durcheinander, total unordentlich. Und wenn wir Kinder kriegen, dann mit unseren Communities, dann wird sich abgesprochen: wer hat eigentlich noch einen Uterus und könnte man sich da einklinken, in das Baby?

Ganz klar: dieses Queers sind eine echte Gefahr für die kapitalistische Gesellschaft! Weil sie Geschlecht und Begehren als Herrschaftsinstrument in Frage stellen. Deswegen entwickeln Staaten unzählige Ausprägungen von gesetzlichen Regelungen und Repressionen. Gesetze die uns vorschreiben, was wir anziehen sollen, wer wir sein dürfen, wie wir uns verhalten sollen. Gesetze die uns sagen wie und mit wem wir Sex haben sollen. Gesetze die beschreiben wie uns weh zu tun ist, wenn wir abweichen. Gesetze gegen Selbstbestimmung und Emanzipation. 

Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Kopftuchzwang im Iran, der brutal erzwungen werden soll – doch wir sehen die entschlossene Gegenwehr dagegen und rufen zur Solidarität mit dem feministischen Aufstand auf. Ihr Ruf schallt über den gesamten Globus: Jin, Jiyan, Azadî! Jina Mahsa Amini bleibt unvergessen!

In Deutschland sind es Dekrete wie das Transsexuellen-Gesetz, die nicht-konformes Leben seit Jahrzehnten absichtlich schwer machen, uns entwürdigen und kaputt machen sollen. Die unseren Willen brechen sollen, unser Leben frei nach unseren Vorstellungen zu leben. Denn je nachdem, auf welcher Seite der Norm wir vom Staat einsortiert werden, soll Reproduktion entweder erzwungen oder im Keim erstickt werden.

Einige Beispiele: Bis 2011 war die Sterilisation in Deutschland Vorraussetzung zur Transition. Entschädigung gibt es dafür bis heute nicht. Nach wie vor dürfen transgeschlechtliche Väter und Mütter nicht korrekt in den Geburtsurkunden ihrer Kinder stehen. Erst 2019 wurden intersexuelle Kinder vor den gängigen Genitalienverstümmelungen geschützt. Entschädigung gibt es dafür bis heute nicht.

Und abgeschoben wird noch immer, egal ob in den Zielländern Gewalt und Verfolgung droht.

Bejubelt und angetrieben wird dieser Kampf gegen Frauen und Queers von Fundamentalist*innen aller Glaubensrichtungen – eine verblüffende Einigkeit von Mullahs und Evangelikalen, von Gurus und Päpsten. 

In den USA ist der reaktionäre Kampf inzwischen auf allen Ebenen voll entbrannt. Vom Supreme Court in Washington über die Schulbibliotheken des Landes bis hin zum Kindernotdienst in Texas kämpft das Patriarchat verbissen um Macht und Menschenmaterial. In Großbritannien werden gar Bündnisse zwischen Abtreibungsfeinden und transhassenden „Feministinnen“ geschmiedet.

Die antifeministische Allianz der fundamentalistischen Rechten verfolgt dabei eine klare Strategie. Die permanenten Angriffe auf Reproduktive Rechte zielen ebenso auf eine umfassende biopolitische Kontrolle, wie die eskalierenden Angriffe auf die Rechte von trans Menschen und ihre Angehörigen. Überall auf der Welt will das kapitalistische Patriarchat damit Macht über Menschen und ihre sozialen Beziehungen erlangen – doch überall auf der Welt schlägt ihnen Widerstand entgegen. Feministischer Widerstand – unser Widerstand!

Damit dieser Widerstand stärker ist als die Angriffe, damit unsere queere Utopie die fortpflanzungsfixierte Sexualmoral sprengt, damit wir unsere Körper selbstbestimmt aus den biologistischen Kerkern befreien können, müssen wir unsere feministischen Kämpfe solidarisch miteinander verbinden.

Wir fordern reproduktive Rechte für Alle! Für trans*, inter und nichtbinäre Menschen!
Wir fordern Entschädigung für staatliche geschlechtliche Zurichtung!
Wir fordern den sofortigen Stopp aller Abschiebungen!

Denn eins ist klar: für echte Emanzipation brauchen wir mehr als nur die Streichung des § 218 oder ein neues Selbstbestimmungsgesetz – wir brauchen ein Ende von Diskriminierung, Ausbeutung und Krieg!

Wir wollen nicht nur reagieren und Schlimmeres abwendenden, sondern für das bessere Leben für alle eintreten. Nicht nur in Dresden, nicht bloß in Deutschland, nicht allein in Europa, sondern auf der ganzen Welt.

Für Freiheit, Selbstbestimmung und Solidarität!