Rede am 8. März auf der Demo zum feministischen Kampftag

Kriege, Krisen und Communities.

Wie gerne würden wie heute gemeinsamen einen utopischen, empowernden feministischen Kampftag feiern. Zusammen mit euch, unseren Freund*innen und Genoss*innen auf der ganzen Welt. Wir haben gesehen, wie durch die Einschränkungen und gesellschaftlichen Verwerfungen in der Pandemie die queere Infrastruktur ausgetrocknet ist. Wie persönliche Kontakte und der gegenseitige Austausch gelitten haben.

Als Queer Pride haben wir uns gedacht: Wir möchten eigentlich Mut machen für einen Neuanfang. Mut zur Sichtbarkeit und lautem Einmischen, Motivation für aktive Community und Kraft für Neuanfang.

Denn ein Neuanfang wäre dringend nötig, um die schleichende Verengung von Geschlechterrollen während der Pandemie wieder aufzubrechen. Um dem drohenden Backlash gegen trans Menschen in der feindselig geführten Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz entgegen zu treten. Um nicht den regressiv-verklemmten „Normalzustand“ wieder herzurichten, sondern emanzipatorische Vorhaben zu planen, durchzusetzen und zu feiern.

Doch chauvinistische Kriegstreiberei, autoritärer Großmachtpolitik und abscheuliche Kriegsverbrechen werfen ihre dunklen Schatten weiter auf die Menschheit. Und das können wir in unserem Beitrag nicht ignorieren. Dennoch dürfen wir den Mut nicht verlieren. Erheben wir weiterhin unsere Stimmen für Frieden und Gerechtigkeit!

Dieser Redebeitrag ist ein Aufruf für queere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und gleichzeitig eine Anregung dafür, wie diese praktisch aussehen kann.

Wir verurteilen Putins Angriff auf die Ukraine und möchten zur Solidarität aufrufen. Nicht mit einem Nationalstaat, nicht mit einer Armee, und auch nicht zur soldatisch-heroischen Aufopferung für irgendein Heimatland. Denn Kriege beendet man nicht durch die gleiche Logik, die sie ausgelöst haben. Nein, wir rufen auf zur Unterstützung derer, die von politischer Entrechtung und physischer Vernichtung bedroht sind.

In Kriegs- und Krisenzeiten leiden marginalisierte Menschen immer am stärksten. In der Ukraine betrifft das ganz besonders die LGBTIQ*-Community. Seit knapp 30 Jahren kämpft die queere Bewegung dort unablässig für Menschenrechte. Und ja, diese Bewegung war und ist bitter nötig, auch gegen die Intoleranz von Teilen der Mehrheitsbevölkerung und gegen den Widerstand der Regierung. Bevor der Krieg begann gab es parlamentarische Debatten um ein Gesetz gegen Hassverbrechen. Es gab Initiativen für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Es gab viele Rückschläge, aber auch einige Erfolge. Doch nun drohen die hart erkämpften Freiräume in der Ukraine im Handumdrehen beseitigt zu werden. Die brutale Verfolgung von Homosexuellen in Tschetschenien könnte ein grausames Comeback erleben. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden!

Und auch in Russland wird sich die andauernde Diskriminierung queerer Menschen weiter verschärfen. Hinzu kommt die Verfolgung von Journalist*innen und Aktivist*innen im Exil. Viele von ihnen haben Angst, auf Todeslisten der russischen Geheimdienste zu stehen und nach einer erfolgreichen Invasion gejagt, gefoltert, getötet zu werden.

Aggression nach außen und Repression nach innen sind zwei Seiten der gleichen chauvinistischen, autoritären Politik von Putin und anderen Diktatoren. Dieser müssen wir unsere entschlossene Solidarität entgegen stellen.

Dieses Jahr steht das 10-jährige Jubiläum der Kiev-Pride an. Wir hoffen, dass der Angriff bald eingestellt wird, der Krieg schnell wieder vorbei ist. Wir träumen davon, dann mit unseren Freund*innen für eine vielfältige, für eine freie Zukunft auf die Straße gehen zu können. Doch wir befürchten das Schlimmste. Sorgen wir dafür, dass allen vom Krieg betroffenen Menschen jede erdenkliche Unterstützung zuteil wird.

Der Krieg in der Ukraine beweist erneut, wie wichtig emanzipatorische Netzwerke sind, die über nationale Grenzen hinaus denken. Die Prague Pride koordiniert Hilfe bei der Ausreise, Übersetzung und Unterkünfte. GenderZ aus der Ukraine koordiniert humanitäre Hilfsmaßnahmen. Die Kiev Pride sorgt sich nicht nur um Verteidigungsmaßnahmen vor Ort, sondern baut auch politischen Druck auf, damit trans Frauen unabhängig vom Status ihres Passes ausreisen dürfen. Hier zahlt sich auch die Arbeit der Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer aus, die 2012 gegründet wurde, um sich für die Menschenrechte von homo-, bi-, trans* und inter* Menschen in der Ukraine einzusetzen.

Diese Bemühungen sollten wir aufgreifen und unterstützen. Politisch, praktisch und finanziell. Der Kapitalismus und seine Krisen legen uns dabei immer wieder Steine in den Weg. Doch wir kommen nicht weiter, wenn wir uns davon entmutigen und einschüchtern lassen. Es muss uns darum gehen, unsere queeren Netzwerke langfristig zu stärken. Räumen wir die Steine weg und bauen daraus neue Brücken!

Für echte Emanzipation brauchen wir mehr als nur ein neues Selbstbestimmungsgesetz – wir brauchen ein Ende von Diskriminierung, Ausbeutung und Krieg!

Wir wollen nicht nur reagieren und Schlimmeres abwendenden, sondern für das bessere Leben für alle eintreten. Nicht nur in Dresden, nicht bloß in Deutschland, nicht allein in Europa, sondern auf der ganzen Welt.

Für Freiheit, Selbstbestimmung und Solidarität!

Und alle rechten, reaktionären, chauvinistischen Kräfte, die uns weiter unterdrücken wollen, sollten sich eines ganz genau merken:

we will never stop the fight, for our freedom and our rights!