Redebeitrag zum Internationalen Tag gegen Patriarchale Gewalt

Liebe Demoteilnehmer*innen, liebe Menschen,

seit Beginn dieses Jahres hat der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (kurz: LSVD) 113 Straftaten von queerfeindlicher Kriminalität registriert, die meisten davon im Pride Month Juni sowie im Juli. Und das ist nur die Anzahl, über die berichtet wurde oder die zur Anzeige gebracht wurden. Es verging in diesem Jahr kaum eine Woche, in der nicht mindestens ein queerfeindlicher Übergriff stattfand. Und die Zahl dieser Fälle steigt von Jahr zu Jahr. Traurige Zahlen, die die Lebensrealität vieler Queers widerspiegeln. Sie zeigen, dass die LGBTQIA+ Community bei geschlechtsspezifischer Gewalt besonders betroffen ist. 

Insbesondere hier in Sachsen besteht für queere Personen eine besondere Bedrohungslage. Queere Personen fürchten sich zum Teil davor, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Rechte und konservative Parteien wie die AfD, CDU und FDP betreiben tagtäglich queerfeindliche Stimmungsmache. Ihre Anhänger*innen belästigen uns auf der Straße, greifen CSDs und Pride-Demonstrationen und deren Teilnehmer*innen an. Ihr Hass und ihre Gewalt reichen vom schiefen Blick im Restaurant über tätliche Angriffe bis hin zu Mord. Erst am Montag dieser Woche hatten wir die Kundgebung zum Transgender Day of Rememberance. Dort haben wir der weltweit 320 Todesopfern transfeindlicher Gewalt aus dem letzten Jahr gedacht. Keine einzige Schweigeminute für unsere verlorenen Mitmenschen reicht aus. Jede einzelne Person ist eine zu viel. Und auch, wenn einzelne Täter*innen vielleicht sogar verurteilt worden sind, reicht das noch lange nicht. Wir werden weiterhin an die Menschen erinnern, die wir an die patriarchale Gewalt verloren haben. Wir werden weiterhin ihre Namen nennen. Wir kämpfen weiter für Gerechtigkeit!

Doch patriarchale Gewalt findet nicht nur in Form von körperlicher Gewalt statt. Sie passiert tagtäglich. Systematisch werden uns Steine in den Weg gelegt. Jedes Mal, wenn trans, inter und nichtbinäre Personen rechtlich diskriminiert werden, weil sie nicht in ein binäres Geschlechtssystem passen. Jedes Mal, wenn eine behinderte Person Tramfahrer*innen förmlich anbetteln muss, die Rampe aufzubauen, damit sie mitfahren kann. Jedes Mal, wenn ein queeres Paar angefeindet wird, weil es in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauscht. Wenn irgendwo eine Regenbogenflagge abgerissen und verbrannt wird. Wenn in sächsischen Bildungseinrichtungen das Gendern verboten wird. Doch sind Gendersternchen, Gehhilfen und Regenbogenflaggen denn wirklich der Feind, oder ist es eher die Angst vor dem Tellerrand? 

Um es kurz zu sagen: Das ist entwürdigend! Es ist absolut inakzeptabel, dass die queere Community ihre Kämpfe gegen die patriarchale Unterdrückung noch immer allein angehen muss. „Hinschauen!“ lautet die Devise. Wir fordern volle Solidarität mit allen Opfern patriarchaler Gewalt. Wir fordern Gerechtigkeit für die Opfer. Wir brauchen Unterstützung, wir brauchen Allies, Verbündete. Denn allein können wir uns dem Patriarchat nicht stellen, aber gemeinsam schaffen wir das. Also vernetzt euch, bildet Banden, unterstützt euch gegenseitig! Hört den Betroffenen zu und glaubt den Opfern! Niemand darf aufgrund seines Andersseins schlecht behandelt werden.

Wenn ich mich hier so umschaue, sehe ich so viele wundervolle Menschen. Ihr seid bunt, ihr seid laut, und ihr seid schön. Lasst uns unsere Nicht-Anpassung an die Norm stärken, denn wir lassen uns nicht verbiegen. Wir bleiben proud, pervers und provokativ! Unsere Diversität ist eine Stärke. Und diese Stärke, unsere Stärke gehört nicht bekämpft, sondern gefeiert!