Rede zur IDAHIT-Demonstration

Ich bin eine Frau. Eine Frau die trans ist. Eine Frau, die mit einer transmaskulinen Person zusammen ist. Es ist schön eine Frau zu sein. Es ist schön trans zu sein. Es ist schön, ich zu sein. Es ist schön mit meine*r Partner*in zusammen zu sein. Ich bin glücklich und stolz auf mich, meinen Weg bis hier hin gegangen zu sein.

Wenn ich zurück gehe in meiner Biographie und wenn ich alle Erlebnisse meines Alltags betrachte, werde ich auch traurig, wütend und besorgt. Ich frage mich oft:
„Warum wurde ich so oft im Stich gelassen, wenn mich Menschen aufgrund meiner bloßen Existenz angegriffen haben?“
„Warum habe ich oft das Gefühl, mehr leisten zu müssen als andere, um akzeptiert zu werden?“
„Warum habe ich oft das Gefühle, manche Menschen zu irritieren mit meinem Äußeren, warum habe ich das Gefühl von manchen Menschen ohne Grund gehasst zu werden?“
„Warum lagen und liegen auf meinem Lebensweg mehr Steine als auf anderen Lebenswegen?“

Mit 16 küsste ich einen Mann. Er war sehr schön. Seine Augen strahlten blau. Der Kuss war eine Mutprobe. Anders wäre es nicht gegangen. Die Umstehenden fanden es eklig. Sie lachten uns aus. Aus der Zuneigung durfte keine Liebe werden, schon der Kuss erforderte Mut. Das war 2007.

Das war nicht das erste Mal, als ich spürte, dass ich anders bin. Und dass anders-sein weh tun kann. Sehr sogar.

Schon zwei Jahre zuvor erlebte ich Ablehnung durch meine Mutter aufgrund meiner sexuellen Orientierung (Ich mochte Frauen und Männer) und wegen weiblicher Verhaltensweisen. Das machte mir Angst. Trotzdem fehlte mir nicht der Mut zur Mutprobe.

Im Kindergarten wurde ich geschlagen und an den Haaren gezogen, weil ich nicht mit den Jungen spielen wollte, sondern mit den anderen Mädchen.

Und ich frage mich wieder: Woran orientierst du dich, wenn die Suche nach Orientierung zu seelischen Schmerzen führt? Wenn du ausgelacht und angefeindet wirst, weil du so auftrittst wie du bist?

Damals als Kind hatte ich im TV Menschen gesehen, die cis Männer waren, aber trans Frauen darstellen wollten – oder anders gesagt: ich habe cisgeschlechtliche Fantasien über trans Frauen gesehen. Die Darstellung war exotisierend, fetischisierend, teilweise vulgär, problematisierend und kriminalisierend. In den Serien, Filmen und Talkshows wurden sie ausgelacht und dargestellt wie Freaks. Diese Phantasiedarstellungen sind es, an die Menschen auch heute noch denken, wenn sie das Wort trans Frauen hören.

Heute werden trans Frauen meist nicht mehr von cis männlichen Schauspielern repräsentiert. Aber der Schaden ist angerichtet. Die Entschuldigungen fehlen. Vor ein paar Wochen hat Thea Ehre (eine österreichische Schauspielerin), den goldenen Bären gewonnen. Das tat gut. Es gibt so viele erfolgreiche trans Personen, doch es ist schwer für uns sichtbar zu werden, in einer Welt, in der es Menschen gibt, die uns unsere Existenz absprechen und in der uns eigentlich freundliche Menschen nicht zu Hilfe eilen. Wir bieten Sichtbarkeit, brauchen aber auch Schutz.

Nachdem ich 2022 in einem akademischen Lehrkrankenhaus vom Pflegepersonal der Station, auf der ich gearbeitet habe, angefeindet wurde, weil diesen eine Frau mit ehemals falschem Zuweisungsgeschlecht nicht ganz geheuer erschien, telefonierte ich mit zwei Oberärzt*innen. Beide zeigten sehr viel Verständnis für die diskriminierenden Personen. Dem Oberarzt fiele es auch schwer, mich als Frau anzusprechen und es sei ja wie mit den Behinderten, Dementen, Schizophrenen und Ausländern: sie würden behandelt wie Dreck. Was er dagegen tun wollte, verriet er unterdessen nicht.

Die Oberärztin verriet, dass sie selbst nicht sicher sei, ob die Patient*innen Transitionen verstehen würden. Insgesamt sei ich auch zu emotional bei dem Thema.

Das eigentlich Schlimme war, dass mich beide vor dem Vorfall sehr unterstützt haben,aber sich später nicht mehr vor mich stellten, um mich zu schützen, sondern sich in erster Linie nur selbst schützen wollten.

Was am meisten schmerzte, war die fehlende Unterstützung als es in diesem Arbeitskampf darauf an kam. Von meinen damaligen Freundinnen in der Klinik hab ich mich getrennt. Die Beziehungen zerbrachen an der Furcht meiner Freundinnen, ebenfalls angefeindet zu werden.

Vor dem Gerichtsverfahren rief ich beim Gericht an, von der Sachbearbeiterin wurde ich versehentlich, jedoch mit süffisantem Unterton als „Herr“ angesprochen. Sie entschuldigte sich, nachdem ich sie korrigierte. Trotz des Wissens um meine Identität nahm es sich die Person heraus, mich nach ihrem eigenen Gutdünken zu bezeichnen. Wen interessiert es schon, wie es mir dabei geht? Es sind auch die kleinen Untertöne, Missgeschicke, manchmal unbeabsichtigten Äußerungen, Fragen und Aussagen, die weh tun, weil sie sich mit der Zeit anhäufen wie der Dreck in einer studentischen WG-Küche, in der nie gekehrt wird und wenn, dann unter den Teppich.

Neulich bin ich die Treppe in dem Haus hinunter gegangen. Am Ende traf ich auf einen jungen cis Mann, der mir ungefragt sagte, dass ich mich (als trans Frau) gut entwickelt hätte und wirklich gut aussehen würde. Und wieder frage ich mich: woher kommt diese Überheblichkeit eines offensichtlich durchschnittlichen jungen weißen Mannes, der in einer ostdeutschen Großstadt sein Dasein fristet?

Wahrscheinlich kann er gar nichts dafür, die Absurdität seines Verhaltens ist ihm wahrscheinlich gar nicht bewusst, weil er sich einfach so für einen Teil einer Gruppe hält, die für sich beansprucht beurteilen zu dürfen, wann eine Transition als „gut“ zu bewerten ist.

Eine Freundin von mir hielt auf einem Bürger*innensteig die Hand einer Freundin und wurde darauf hin verbal und lautstark von einem cis Mann beleidigt. Als sie zurück brüllte wurde ihr vermittelt, dass sie zu stark reagieren würde.

Als ich mein*e Partner*in auf dem Bürger*innensteig küsste, wurden wir von fremdem cis Männern lautstark bejohlt und beklatscht. Offenbar hielten sie uns für zwei cis Frauen. Ich möchte gar nicht wissen, was in deren Köpfen vorging. Und doch kommen unweigerlich wieder Fragen auf:
Warum erleben Angehörige der LGBTQIA+-Community diese Reaktionen? Ist es, weil wir leben, wie wir es möchten? Ist es, weil wir attraktiver sind, als queerfeindliche Menschen es glauben wollen? Ist es, weil wir mit uns selbst zufrieden sind? Ist es, weil feindselige Menschen kein Ventil für ihren Selbsthass oder ihren eigenen Schmerz finden? Oder ist es einfach, weil wir nicht sind, wie die heteronormativ geprägte Mehrheitsgesellschaft sich das vorstellt?

In den letzten Jahren hat sich manches zum Besseren gewandelt. Wir befinden uns einem Prozess der positiven gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Veränderung. Genau das ruft jedoch Menschenfeind:innen und ewig Gestrige auf den Plan. Ich spreche von Terfs (transexkludierenden radikalen Pseudofeminist*innen), Rechtsradikalen, Frauenfeind*innen, homophoben Menschen und anderen queerfeindlichen Menschen, die unsere Rechte beschneiden und unsere Würde untergraben wollen. Sie beginnen mit ihrer Hetze bei den vermeintlich Schwächsten: transgeschlechtlichen Frauen. Wir lassen uns als LGBTQI+-Community nicht spalten, da wir wissen, dass auch andere Mitglieder unserer Community für ihre Rechte kämpfen mussten und größtenteils immer noch müssen. Gemeinsam sind wir stark für die Würde aller Menschen.

Bei all den Erlebnissen bleibt die schmerzvollste Erfahrung, von Unbeteiligten keine Unterstützung erhalten zu haben. Dabei gibt es doch für diese vielen Fragen einen einfachen Wunsch als Antwort.

Ich wünsche mir von allen anständigen Menschen:

Bitte seid mutig, steht für eure Freund*innen ein, die lesbisch, schwul, bi, pan oder asexuell, trans, geschlechtsinkongruent, non-binär, agender oder inter und queer sind. Am Arbeitsplatz, in den Medien, bei Gesprächen mit Unwissenden – nicht nur im Privaten. Vor allem dann, wenn ihr etwas verlieren könntet. Wenn ihr euch für uns angreifbar macht. Wir stehen jeden Tag für uns ein. Oft ganz alleine. Das kostet Kraft und tut weh. Manchmal so viel, dass wir am Ende des Tages überhaupt keine mehr haben. Das ist die Kraft, mit der Personen, die der Mehrheitsgesellschaft angehören, ihre Kinder erziehen und ihre Jobs meistern. Diese Kraft müssen wir oft für die Verteidigung unserer bloßen Existenz aufbringen. Zur privilegierten Mehrheitsgesellschaft zu gehören und nicht für Minderheiten zu kämpfen, ist feige und egoistisch. IDAHIT ist nicht nur heute, sondern jeden Tag, und geht nicht nur queere Menschen etwas an, sondern viel mehr Angehörige des privilegierteren Teils unserer Gesellschaft. Es sind Teile der cis-hetero-Gesellschaft und deren fehlende Unterstützung, vor denen wir uns immer wieder verteidigen und schützen müssen.